Was hält unseren Staat und unsere Gesellschaft zusammen? – Das ist eine Frage, die Wolfgang-Ernst Böckenförde (1930-2019) umgetrieben hat. Nikolaus Klein SJ erklärt die Bedeutung des deutschen Staatsrechtlers.
Es sind nicht die Gesetze sondern gemeinsame Werte, welche Gesellschaft und Staat zusammenhalten. Aber woher stammen diese Werte, was ist die Grundlage von Moral und Ethik? – Es sind die Werte der Religion also des Christentums – nicht zu verwechseln mit der Kirche. Das ist kurz erklärt die Bedeutung des berühmten Satzes von Wolfgang-Ernst Böckenförde (1930-2019)
„Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“
Der Zürcher Theologe Nikolaus Klein SJ erklärt in einem Gespräch welche Bedeutung der Rechtsgelehrte und seine Gedanken haben.
Böckenfördes Gedanken hatten einen konkreten historischen Hintergrund: Kritik am Katholizismus der Nachkriegszeit, der in seiner antimodernen Haltung erstarrt war. Jan-Werner Müller schrieb 2017 in der NZZ
“Als einer der Ersten beschäftigte er sich eingehend mit dem Verhalten der Katholiken im Deutschland des Jahres 1933. Anders als der spätere Widerstand von prominenten Bischöfen dies im Rückblick nahelegen mochte, war die Kirche zu Anfang des Naziregimes durchaus zum Mitmachen bereit gewesen – doch daran wollte man sich nach Kriegsende nicht erinnern. So zitierte Böckenförde ein an Hitler gerichtetes Schreiben des Münchener Kardinals Faulhaber: «Uns kommt es aufrichtig aus der Seele: Gott erhalte unserem Volk unseren Reichskanzler.»